Das Freiburger Modell

Studien haben gezeigt, dass Lehrkräfte – neben zu großen Klassen – destruktives Schülerverhalten als Hauptbelastungsfaktor erleben. Die gestörte Beziehung zwischen Lehrkräften und Lernenden macht den Unterricht zu einem anstrengenden Unterfangen. Da chronische soziale Konflikte mit anderen den Menschen krank machen – das hat die moderne Neurobiologie nachweisen können – muss Gesundheitsprävention im Lehrerberuf Maßnahmen einschließen, welche den Umgang mit schwierigen Beziehungssituationen, also die Beziehungskompetenz verbessern. Das können so genannte Lehrer*innen-Coachinggruppen leisten, die von Professor Dr. Joachim Bauer in mehrjähriger Arbeit mit Schulen und Lehrkräftegruppen entwickelt und im Rahmen eines von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz entwickelten Projektes evaluiert worden sind.

Lehrer*innen-Coachinggruppen nach dem Freiburger Modell sind ein präventives, dem Schutz der Lehrkräftegesundheit und der eigenen Fortbildung dienendes Angebot, welches sowohl für im Dienst stehende Lehrkräfte als auch für Lehramtsstudierende geeignet ist und im Rahmen von Lehrer*innenprojekten erfolgreich erprobt wurde. Die Gruppen haben das „System Schule“ als Ganzes im Auge und berücksichtigen die Perspektiven aller Beteiligten, also nicht nur jene von Lehrer*innen, sondern ebenso diejenige der Schüler, der Schulleitung und der Eltern. Eines der wichtigsten Ziele der Lehrer*innen-Coachinggruppen ist daher das fortlaufende Bemühen um Perspektivwechsel, um so neue Einsichten in die Ursachen gestörter Beziehungsabläufe zu gewinnen und Beziehungsgestaltung zu verbessern. Wer dem „Gesamtorganismus Schule“ - und damit unseren Kindern - dienen will, kann dies nur dadurch erreichen, dass Konflikte offen benannt und analysiert werden – dies jedoch immer mit dem Ziel, Misstrauen und Feindseligkeiten zwischen den Schulteilnehmenden zu verstehen, zu entschärfen und Kooperation zu fördern.

Coachinggruppen können sich aus Lehrkräften einer Schule wie auch aus verschiedenen Schulen zusammensetzen. Sie sind ebenso für Schulleiter*innen geeignet, diese sollten jedoch für sich eigene Gruppen haben. Lehrkräfte ohne und mit Schulleitungsfunktion sollten nicht gemeinsam in einer Gruppe sein. Jede Gruppe besteht aus maximal 12 Teilnehmenden. Sie wird moderiert von einer Person, die nicht nur über ein Studium der Psychologie oder Medizin, sondern auch über eine abgeschlossene Psychotherapieausbildung (psychodynamisch/tiefenpsychologisch, verhaltenstherapeutisch oder systemisch) verfügen muss.

(Auszug aus: Bauer J. Beziehung gestalten, Konflikte entschärfen. Coaching für Lehrergruppen - Ein Manual. Psychologie Heute. 2007; Compact 16 („Schule verändern!”): 86–95.)

Module

Die 5 thematischen Module von Lehrer*innen-Coachinggruppen sind:

  1. Beziehungserfahrungen und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit: Neurobiologische Basisinformationen
  2. Persönliche Einstellung: Die Bedeutung von Identität und Identifikation
  3. Beziehungsgestaltung mit Schülerinnen und Schülern: Die Bedeutung der Balance zwischen Empathie und Führung
  4. Beziehungsgestaltung mit Eltern
  5. Beziehungsgestaltung und Zusammenhalt innerhalb des Kollegiums - Spaltungstendenzen versus Kollegialität

 

Wirksamkeit

Die Lehrer*innen-Coachinggruppen nach dem Freiburger Modell wurden am Universitätsklinikum Freiburg im Rahmen des bundesweiten von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) geförderten Verbundprojektes „Lange Lehren“ in den Jahren 2005-2007 entwickelt und evaluiert.  Anhand von prä- und post-Messungen konnte in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen werden, dass sich Gesundheitsparameter von teilnehmenden Lehrkräften im Verlauf der Maßnahme signifikant verbessert hatten. Hierzu wurden zwei Artikel (Unterbrink et al. 2010, Unterbrink et al. 2012) veröffentlicht. Für die in Baden-Württemberg seit dem Schuljahr 2012/13 durchgeführten, landesweit stattfindenden Coachinggruppen konnte die weitere Begleitforschung diese Ergebnisse im Kern replizieren (Pixner, 2014).

Literatur:

  1. Pixner, S. (2014). Evaluation einer Gesundheitspräventionsmaßnahme für baden-württembergische Lehrkräfte (Lehrergesundheitsprojekt) gemäß dem “Lehrer/innen-Coaching nach dem Freiburger Modell” in zwei Darbietungsmodi (Dissertation). Universität Potsdam. Retrieved from https://publishup.uni-potsdam.de/opus4-ubp/frontdoor/index/index/docId/7799
  2. Unterbrink, T., Zimmermann, L., Pfeifer, R., Rose, U., Joos, A., Hartmann, A., … Bauer, J. (2010). Improvement in School Teachers’ Mental Health by a Manual-Based Psychological Group Program. Psychotherapy and Psychosomatics, 79(4), 262–264. https://doi.org/10.1159/000315133
  3. Unterbrink, T., Pfeifer, R., Krippeit, L., Zimmermann, L., Rose, U., Joos, A., … Bauer, J. (2012). Burnout and effort–reward imbalance improvement for teachers by a manual-based group program. International Archives of Occupational and Environmental Health, 85(6), 667–674. https://doi.org/10.1007/s00420-011-0712-x